Die professionelle Tantra Massage folgt dem Prinzip der Absichtslosigkeit. Es geht rein um den oder die EmpfängerIn, als Massierender nimmt man sich zurück. Dieses Prinzip musste man mir im Rahmen der Ausbildung nicht erklären – ich hatte es schon automatisch verinnerlicht. Doch was passiert, wenn ich in meine eigene Lust komme? In manchen Fällen wird die Erfahrung für beide Seiten intensiver, wenn ich alle Empfindungen zulasse. Darf das sein, im Rahmen der Massage?

Um ein weit verbreitetes Missverständnis gleich vorwegzunehmen: Die Lust steht keineswegs immer im Vordergrund einer Tantra Massage. In vielen Fällen – gerade bei jenen, die zum ersten Mal eine solche Massage empfangen – passieren ganz andere Dinge. Man kommt zurück ins Spüren und zu sich, erlebt eine Achterbahn der verschiedensten Emotionen, und/oder macht Erfahrungen sehr spiritueller Natur. Für wieder andere ist es nichts anderes als Entspannung pur, und das ist auch gut so.

Klare Rollenverteilung

Wenn sie da ist, die Lust, ist sie jederzeit herzlich willkommen. Bei der Empfängerin. Doch gilt das auch für den Masseur? Bei dem die Erregung mitunter deutlich sicht- und wahrnehmbar ist, auch ohne intimen Kontakt? (Alleine deswegen schon ist es eher ein Thema für Masseure, als für Masseurinnen.) Was macht das mit der Tantra-unerfahrenen Frau? – über Männer schreibe ich gleich noch. Es ist weiterhin keine zielgerichtete Empfindung. Ich will und erwarte nichts von meinem Gegenüber, die Rollen zwischen Gebendem und Empfangender bleiben die ganze Zeit über klar, der Fokus liegt ungestört bei der Massage. Und trotzdem könnte die männliche Lust für Irritationen sorgen.

Mittlerweile weiß ich, dass meine Massagen „besser“ sind, wenn ich sie zulasse, die Lust. Ich kann ihr vertrauen. Sie kommt nur dann, wenn es passt. Ich bin dann fühliger, energetischer, ja sogar achtsamer. All das bin ich genauso, wenn die Massage einen anderen Fokus hat, als das sexuelle Hinspüren. Doch wenn die Frau in ihre Lust kommt, und ich meine komplett unterbinde, dann blockiere ich den energetischen Fluss.

Was denkst du als Frau?

Es interessiert mich, wie Frauen darüber denken. Ich schreibe die ganze Zeit schon aus der Perspektive Mann zu Frau, und spare Mann zu Mann aus. Das hat bei diesem speziellen Thema einen einfachen Grund. Unter Männern ist die Massage für mich anders. Ich empfinde dabei keine Lust im erotischen Sinn. Es passieren andere Dinge, die eher spiritueller und verbindender Natur sind. Keineswegs weniger intensiv, ganz im Gegenteil. Aber das ist ein anderes Thema.

Was denkst du darüber? Welche Fragen hast du? Nutze einfach die Kommentarfunktion am Ende des Beitrags – auch anonym.

Bilder: Thomas Verbruggen, Charles Deluvio @ Unsplash

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4 Kommentare

  1. Hallo Michael,
    der Artikel ist zwar schon etwas älter, dennoch hat er mich sehr angesprochen und ich empfand es als erfrischend UND erhellend, die Sichtweise eines Mannes hierzu lesen zu dürfen. Vielen Dank dafür! 🙂

    Ich bin eine von Natur aus lust-volle Frau und als wir Tantra bzw. die Tantra-Massage in unsere Partnerschaft integriert haben, kam das Thema auch auf. Da musste nicht nur ich mich damit auseinander setzen, sondern auch mein Partner. Ganz besonders mit den bei ihm aufkommenden Ängsten, ob ich diese Lust im Griff hätte für den Fall, dass ich selbst Tantra-Massagen geben wollte. 😉

    Ich bin sehr empfänglich auf der emotionalen Ebene und dennoch bin ich eher eine Gebende denn Nehmende. Und ich liebe es, zu berühren. Bisher auf geistig-seelischer Ebene und das Körperliche beschränkt sich auf die Partnerschaft. Es erfüllt mich mit unglaublicher Zufriedenheit und tiefem inneren Frieden, wenn ich eine tiefe, authentische Verbundenheit auf seelischer Ebene mit meinem Gegenüber herstellen kann. Egal, ob Mann oder Frau. Das ist für mich wie mich direkt von Herzen zu Herzen zu verbinden. Und ja, es erfordert auf beiden Seiten den Mut, sich mit seinen Schattenseiten, der Verletzlichkeit und der Verwundbarkeit – eigentlich der eigenen Unvollkommenheit! – zu zeigen. Zu sein und sich selbst wie auch dem anderen mit seinem So-Sein zuzumuten.

    Ich erlebe erstmals eine Partnerschaft, in der Verbundenheit auf dieser tiefer gehenden Ebene wirklich möglich ist. Und in dieser Partnerschaft bin ich auch erstmals mit Tantra-Massagen in Berührung gekommen. Nicht nur geistig-seelisch zu berühren und sich berührt zu fühlen, sondern es auch auf körperlicher Ebene erfahren zu dürfen. Eine ganz neue, aufregende und für uns beide sehr wertvolle und unser beider Wachstum fördernde Erfahrung!

    Ich kann es sehr gut nachempfinden, dass es für einen männlichen Gebenden in der Tantra-Massage schwierig sein kann, mit der aufkommenden Lust umzugehen. Ist diese doch beim Mann eher ersichtlich als bei der Frau. Wobei ich ganz offen bin mit dem Thema weiblicher Lust/Erregung und anmerken möchte, dass es auch für Frau manchmal nicht so einfach ist, (die aufkommende) Erregung zu verbergen. Je nach Stand im Zyklus kann sich da so Einiges zeigen.

    „Im Fluss zu sein“ kann man(n) da schon mal wortwörtlich nehmen. ;-)))

    Ich habe bisher noch nicht von einem männlichen Gegenüber eine Tantra-Massage empfangen. Dass er dabei Lust empfinden bzw. erregt sein könnte, würde mich aber nicht abschrecken oder irritieren. Es wäre für mich Ausdruck von etwas ganz Natürlichem bzw. einer natürlichen Reaktion.

    Sie ist ja auch bei mir da, nur eben nicht gleich oder immer so offen-sichtlich, wie bei Mann.

    Aber selbstverständlich kann ich mir auch vorstellen, dass es Frauen gibt, die das zunächst als irritierend empfinden oder möglicherweise sogar als bedrohlich – ganz besonders dann, wenn evtl. eine sexuelle Missbrauchserfahrung gemacht wurde und etwas getriggert wird, denn in dem Moment war die Frau ja auch in der passiven Rolle….

    Ich möchte aber auch betonen, dass ich mir bewusst darüber bin, dass es ebenso Männer gibt, die sexuelle Missbrauchserfahrung durch eine Frau erfahren haben.

    Du hast Dich gefragt, wie Frauen über die aufkommende Lust bei der empfangenden Massage durch einen Mann denken. Das hier waren meine Gedanken dazu. 😉

    Ich als Frau kann natürlich nicht wirklich nachempfinden, was bei einer Mann-zu-Mann-Massage passiert. Aber ich kann es mir vorstellen, dass das nochmal ne ganz andere Dimension ist, als einem gegengeschlechtlichen Part so nahe zu kommen bzw. zu sein. Und auch, dass die dabei ausgetauschte Energie und gemachte Erfahrung (auf beiden Seiten!) nicht weniger intensiv ist, als wenn es dabei um jemanden Gegengeschlechtlichen geht. Ich glaube vielmehr, dass es für beide Männer auch eine sehr wertvolle Erfahrung sein kann!

    Alles Liebe
    Sabine

    1. Liebe Sabine,

      ich freue mich sehr über deinen ausführlichen Kommentar und deine Meinung! Denn ich finde es als Mann gar nicht so einfach, das Thema einer Frau gegenüber offen anzusprechen, ohne dass es zu Missverständnissen kommen kann. Von daher interessiert mich deine Meinung sehr.

      Es ist spannend, was du im Zusammenhang mit deiner Partnerschaft berichtest. Das bedeutet, du massierst auch selbst, oder könntest es dir irgenwann vorstellen? Ich habe zum Glück eine sehr verständnisvolle und auch offene Partnerin, sonst würde es nicht funktionieren. Und interessanterweise, wenn meine weiblichen Übungsmodelle sehen oder ich im Vorgespräch durchblicken lasse, dass ich eine Familie habe, sind sie gleich deutlich entspannter. Aber das kann ich auch gut verstehen. Männer interessiert diese Tatsache deutlich weniger, aber sie müssen sich meist auch weniger schützen. Obwohl du Recht hast, es gibt natürlich auch Männer, die Missbrauch oder übergriffige Handlungen erleben.

      Ich hatte selbst schon einen Gast, der schlechte Erfahrungen diesbezüglich gemacht hatte, und der sich zum Glück dennoch in eine Massage mit mir traute. Für ihn war es sehr heilsam, aber es hätten auch andere Emotionen hochkommen können. Und ja, wie du vermutest, es ist als Mann ein Geschenk, Männer zu massieren oder von ihnen massiert zu werden. Weil dann der ganze Druck des „ich muss mich von der besten Seite zeigen“ wegfällt.

      Wenn die Frau bei einer Massage deutlich in ihre Lust kommt, geht bei mir die leichte Anspannung bezüglich meiner eigenen Lust auch weg. Es ist dann wie ein Signal: Das darf hier sein, und du darfst hier sein. Und trotzdem bleibt die vollkommene Absichtslosigkeit, es gibt weiterhin kein Ziel. Ein magischer Moment, wie ich finde.

      Was hat dich abgehalten, von einem Mann eine Massage zu erhalten? Oder gab es dazu bisher einfach noch keine Gelegenheit? Was wären für dich die Voraussetzungen, damit du Vertrauen aufbauen kannst? Der Hintergrund meiner Frage: Als Mann ist es gar nicht einfach, später nach der Ausbildung Massagen anzubieten. Männer wollen typischerweise zu Frauen, Frauen ebenfalls zu Frauen, da sie sich dort sicherer fühlen.

  2. Lieber Michael,

    ich kann Dir jetzt erst auf Deine Fragen antworten.

    „Es ist spannend, was du im Zusammenhang mit deiner Partnerschaft berichtest. Das bedeutet, du massierst auch selbst, oder könntest es dir irgenwann vorstellen? Ich habe zum Glück eine sehr verständnisvolle und auch offene Partnerin, sonst würde es nicht funktionieren.“

    Bisher massiere ich nur meinen Partner und habe in einem Tantra-Seminar erstmals die Erfahrung machen können, einen anderen Menschen massieren zu dürfen. Das war auch ein wichtiger Prozess für unsere Partnerschaft. Wir haben das Seminar gemeinsam besucht und vorher darüber gesprochen, wo für uns jeweils die Grenze ist. Wir sind als Paar dort hin gegangen und haben dann bis zu einem gewissen Punkt uns auf andere einlassen können. Es war eine sehr wichtige Erfahrung für uns beide wie auch unsere Partnerschaft. Letztendlich hat dieses Seminar uns noch näher gebracht und die Beziehung nochmal vertieft. 🙂

    Ich würde gerne selbst massieren, bin dabei aber jmd., der gerne flexibel ist. Gerade, weil ich sehr empfänglich bin für mein Gegenüber, brauche ich eigentlich eine Form der Massage (also im Geben), die sich nicht nur strikt nach dem Ritual richtet. Schon auch das Ritual integrieren, aber mit der „Freiheit“, mich mehr auf das einlassen zu können, was aktuell gebraucht wird. Ob das mehr ein Kuscheln oder gar Halten oder mehr Berührung und Wertschätzung/Achtsamkeit im Intimbereich z. B. ist. Ich „verbinde“ mich auch, wenn ich körperlich berühre, mit meinem Gegenüber und kann es auch ohne Worte erspüren, was gebraucht wird.

    „Was hat dich abgehalten, von einem Mann eine Massage zu erhalten? Oder gab es dazu bisher einfach noch keine Gelegenheit? Was wären für dich die Voraussetzungen, damit du Vertrauen aufbauen kannst?“

    Darauf wusste ich bisher selbst keine Antwort, weshalb es auch so lange gedauert hat, bis sie jetzt kommt. 😉

    Die große Bremse war bei mir fehlendes Vertrauen in Männer oder überhaupt das Männliche. Ich habe sehr negative und auch emotionale wie körperliche Gewalt beinhaltende Erfahrungen mit Männern gemacht und von Klein auf mangelnde Wertschätzung und Akzeptanz für meine eigene hohe Sensibilität und das Weibliche überhaupt erfahren. Bereits in meiner Ursprungsfamilie.

    Ich bin konditioniert worden, dass meine Weiblichkeit und auch meine Sensibilität und Feinfühligkeit wertlos ist und eine absolute Schwäche darstellt (die auf keinen Fall erlaubt werden darf). Meine Überzeugung war demnach auch die, dass ich keinem Mann wirklich vertrauen kann und schon gar nicht darf. In dem Seminar war einer vom Team dann das Modell und er hat sich mit seinen Emotionen gezeigt. Er hat sich nicht nur körperlich, sondern auch seelisch berührbar gezeigt und es nicht unterdrückt. Es war wie das Normalste auf der Welt und wurde somit für alle sichtbar auch wertvoll, das nicht zu unterdrücken.

    Da wusste ich, dass es genau das war, was ich brauchte: Zum Einen die Zeit, diese Erfahrung machen zu dürfen und dass es gut ist, wenn ich es zulasse, dass sich die Dinge zeigen, statt sie erzwingen zu wollen. Zum anderen, dass dieser Mann mit seiner eigenen Berührbarkeit und dass er sie nicht unterdrückt hat, mir seine eigene Wertschätzung für seine Emotionalität gezeigt hat. Ich wusse in dem Moment, dass wenn ich eine Massage von einem mir völlig fremden Mann annehmen könnte – dann von ihm. Ich habe bei demnächst einen Termin bei ihm.

    Von meinem Partner konnte ich das mittlerweile annehmen, aber das ist auch was ganz Anderes, als von einem mir im Grunde völlig fremden Mann.

    Liebe Grüße
    Sabine

    1. Liebe Sabine,

      ein großes Dankeschön für deine Offenheit. Du bist mit deinem Weg für viele Frauen und auch Männer ein Vorbild: Nicht nur ich erkenne mich mit meinem tantrischen Werdegang in einigen Teilen deiner Beschreibung wieder. Auch auf den Seminaren – bei denen ich assistieren darf – begegne ich derlei Entwicklungs-Wegen immer wieder. Und das ist das schöne an unserer Arbeit. Wir können durch unsere eigene Geschichte vermitteln, dass eine Öffnung möglich ist. In einer geschützten und achtsamen Umgebung.

      Ich durfte mich ebenfalls als Modell „zeigen“, vor fast 40 Menschen. Mit meiner kompletten Verletzlichkeit – ich legte alle meine Masken ab. Ein magischer Moment. Und eine Inspiration für die TeilnehmerInnen, Frauen wie Männer. Viele kamen hinterher auf mich zu, weil eine solche Öffnung heutzutage nur noch selten geschieht. Gerade als Mann steht oft zu viel auf dem Spiel.

      Ich werde demnächst einen Beitrag genau zu diesem Thema „sich öffnen“ schreiben. Danke für deinen Denkanstoß!

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