Selbstbefriedigung ist ein Tabuthema – gemeinschaftlicher Sex gilt dagegen als schick. Schon das Wort „Masturbieren“ klingt schrecklich. Während mit der erotischen Zweisamkeit geprahlt wird, versteckt man die körperliche Selbstliebe verschämt. Doch dazu gibt es keinen Grund: Sex für dich alleine ist wichtig. Und genauso gut wie mit deinem Partner bzw. deiner Partnerin.
Bei einer kleinen Diskussion lernte ich jüngst einen Mann kennen, der in der Gruppe offen zugab, dass er alleine lebt. Und er ging noch einen Schritt weiter:
„Ich genieße meine Sexualität mit mir selbst sehr. Sie reicht mir aus.“
, so seine Aussage. Betretenes Schweigen war die Folge. Auch ich stutzte kurz. Bis mir klar wurde, wie mutig seine Aussage ist, aber auch wie richtig. Ich möchte die Intimität mit meiner Partnerin niemals missen, sie ist unvergleichlich. Aber Selbstliebe kann ebenfalls sehr erfüllend sein, auf eine andere Art und Weise. Eine kleine Anleitung dazu findest du hier.
Sexualität ohne Partner gilt als Schwäche
Wir schämen uns dafür, wenn wir selbst Hand anlegen. Und wir bedauern andere Menschen, wenn sie Sexualität nicht in einer Partnerschaft ausleben können. Wer würde schon selbstbewusst äußern: „Ich hatte heute Morgen zwei Stunden lang eine wunderbare Begegnung, mit mir selbst“?
Wir werten das Spiel mit unserem eigenen Körper ab. Und erhöhen gemeinschaftliche Intimität zum einzig wahren und richtigen Sex. Das hat gleich mehrere Gründe:
- In unserer Leistungsgesellschaft gilt es als ein Zeichen von Schwäche, wenn man keinen Sexualpartner hat.
- In einer Partnerschaft ist Selbstbefriedigung ebenfalls ein Tabu. Viele machen es heimlich und sprechen nicht darüber. Dahinter steckt unter anderem die Sorge, der Partner könne meinen, er genüge nicht mehr.
- Wir sind es nicht mehr gewohnt, uns mit unserem eigenen Körper auseinanderzusetzen.
- Auch die Erziehung spielt eine Rolle. Zugehörige Glaubenssätze sind „Das macht man nicht“ bzw. „Man fässt sich nicht selbst an“.
- Für viele ist Masturbation ein reines Mittel zur schnellen Triebabfuhr, oder sie machen es aus Langeweile bzw. zum Einschlafen.
Dabei kann die körperliche Selbstliebe so viel mehr sein. Ohne Ablenkung durch deinen Partner lernst du Empfindungen kennen, die dir bislang verborgen geblieben sind. Und die du dann in eure Verbindung einbringen kannst. Du kommst dir selbst und deinem Ursprung näher, wenn du das Solo-Rendezvous langsam und bewusst angehst. Mehr hierzu erfährst du in meinem Beitrag Weg vom Programm, hin zur Lust.
Tantra und Selbstliebe
Auch im Tantra ist die körperliche Selbstliebe ein wichtiger Schlüssel – neben der geistigen oder spirituellen Selbstakzeptanz. Wenn du keinen Zugang zu deinem Körper und seinen Sinneseindrücken hast, dann wird dir die tantrische Zweisamkeit sehr schwerfallen. Mehr noch: Wenn du dich selbst nicht kennst oder akzeptieren kannst, dann wird dich auch eine Partnerschaft nicht erfüllen. In diesem Sinne solltest du deinen Partner/deine Partnerin sogar dazu ermutigen, regelmäßig alleine lustvoll zu sein.
Ihr schafft es, euch anschließend offen und ehrlich auszutauschen? Perfekt. Es wird euer gemeinsames Liebesleben bereichern. Eine andere Möglichkeit ist es, dass du mit deinem besten Freund oder mit deiner besten Freundin darüber sprichst. Männer tauschen sich erfahrungsgemäß nur sehr ungern über ihre Sexualität aus. Doch es kann unglaublich hilfreich aber auch heilsam sein – du wirst schnell erkennen, dass dein Gegenüber mit ganz ähnlichen Herausforderungen konfrontiert ist. Ein Anfang ist gemacht, wenn wir die Beschäftigung mit unserem Körper nicht mehr belächeln oder als minderwertig betrachten. Und wenn wir uns selbst mehr als einen schnellen verschämten Quickie gönnen.
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Bilder: Evelyn Chong,Vinicius Costa