Geht es bei Tantra um Erleuchtung? Um Sex? Oder um beides? Das fragte sich vor ein paar Jahren die unsägliche Zeitschrift mit den großen Buchstaben. Aber die reißerische Schlagzeile hat schon recht: Tantra ist irgendwo zwischen Klangschalen und Rudel*** gefangen – so zumindest die gängigen Klischees. Warum ich trotzdem mit dem Begriff arbeite.
Erst jüngst wieder wurde ich bei einer Diskussion gefragt, warum ich meine Arbeit „Tantra Massage“ nenne, und nicht Berührungscoaching oder Ähnliches. Es war ein offener, achtsamer und spiritueller Mann, der mir diese Frage stellte. Aber er hatte schlechte Erfahrungen mit einem Anbieter gemacht, der seine Seminare unter dem Begriff „Tantra“ vermarktet. Für mich sind solche Vorbehalte nichts Neues – ich schalte dann fast schon automatisch in den Erklär- bzw. Verteidigungsmodus. Die Tantralehrerin Ilka Stoedtner bringt es auf den Punkt:
Der Begriff Tantra wird heutzutage oftmals mit etwas assoziiert, was sich zwischen Räucherstäbchen-Erleuchtung und Gruppensex mit Niveau befindet.
Den einen ist Tantra zu esoterisch und abgehoben, die anderen legen es gedanklich im Rotlichtmilieu ab. Das hat mehrere Gründe:
- In unseren Breitengraden wurde aus einer umfassenden indischen Philosophie ein Lifestyle-Begriff, der nur scheinbar schnelle Antworten auf komplexe Fragen liefert.
- Es gibt einige schwarze Schafe, die Tantra Massagen vermarkten, obwohl sich dahinter wenig achtsame Erotikmassagen verbergen. Das kann bis hin zur Grenzüberschreitung gehen. Hier verrate ich dir, wie du seriöse Anbieter findest.
- Da der Begriff Tantra in keiner Weise geschützt ist, tummeln sich auch unter den sonstigen Seminaren und Ausbildungen Offerten, die tatsächlich eher in Richtung Gruppe-in-der-Reihe-herum gehen.
- In einigen (wenigen) Fällen gab es auch im deutschsprachigen Umfeld Tantra-Zirkel mit eindeutig sektenähnlichen und autoritären Strukturen. Teile der Szene sind anfällig für selbsterklärte männliche wie weibliche Gurus.
Überhaupt ist die sehr heterogenen Tantra-Landschaft ein Teil des Problems. Diversität ist immer gut. Doch in diesem Fall führt es dazu, dass ich „Tantra“ sage, dann aber erst einmal erklären müsste: Was verstehe ich persönlich darunter? Und was ist jetzt und hier und in diesem Kontext damit gemeint? Und weil Tantra kompliziert ist, kann das dauern.
Bis dahin sind mögliche Kunden/Kundinnen schon abgesprungen. Auch die Kommerzialisierung ist eine Herausforderung für sich. Zumal im Internet-Zeitalter jeder erwartet, dass man in ein/zwei griffigen Sätzen erklärt, was auf diese Weise nicht erklärbar ist.
Wir können nur aufklären
Doch genug Herausforderungen gewälzt. Es gibt natürlich gute Gründe, warum ich dennoch an den Begriffen Tantra und Tantra Massage festhalte. Ganz unabhängig davon, dass mir Underdogs schon immer lieber waren, als massenkompatible Ware. Here we go:
- Die Sache an sich muss ja nicht schlecht sein, nur weil es zwielichtige Anbieter oder unklare Definitionen gibt.
- Tantra macht neugierig und ist sagenumwoben. Das gibt mir die Chance, Dinge zu erläutern, sie zu entzaubern und richtigzustellen. Aber auch Menschen noch neugieriger zu machen. Dann erst setzen sie sich wirklich damit auseinander.
- Nach einer Massage äußern meine Modelle (männlich wie weiblich) oft: „Jetzt verstehe ich eher, was mit Tantra gemeint ist“. Was kann es Besseres geben, als die tatsächliche Erfahrung in der Praxis?
- Der Zugang zur spirituellen Ebene – sofern die EmpfängerInnen einen solchen überhaupt wünschen – ist unter dem Blickwinkel „Tantra“ leichter greifbar, als bei einem reinen Berührungscoaching. Insofern würde etwas sehr Tiefgründiges verlorengehen, wenn man den Begriff Tantra beerdigt.
Hinzu kommt: Ich persönlich durfte ganz wunderbare Anbieter, TrainerInnen und Menschen kennenlernen, die tagtäglich für den guten Ruf von Tantra und der zugehörigen Massage kämpfen. Nur wenn sie weiter gehört werden, kann das verbindende Element der ursprünglichen tantrischen Idee greifen. Und Positives in der Welt bewirken.
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Bilder: Aurélien Aries, Andrei Lazarev